Bürozän – Leben und Schreiben im Zeitalter des Büros

Kuratiert von Simona Pfister

Wer morgens mit dem Zug stadteinwärts fährt und aus dem Fenster schaut, sieht sie reihenweise an sich vorbeiziehen: die Büros. Fenster um Fenster mit Pult um Pult mit Computer um Computer. Und davor sitzen die noch früher aufgestandenen Menschen und schauen in die hellen Bildschirme. Wer dann den Kopf zurück ins eigene Zugabteil dreht, sieht sein Gegenüber im Hemd oder Bluse den Laptop auf den Knien balancieren und vornüber gebeugt etwas tippen. Und vielleicht erwischt man auch sich selbst, wie man, ebenso gekleidet, gerade noch schnell die Mails checkt, um für den kommenden Tag am Schreibtisch bereit zu sein.

So oder so, wir alle sind ständig im Büro. Daran konnte auch die Corona-Pandemie nichts ändern, im Gegenteil: Schreibtischjobs sind beliebt wie eh und je, und trotz Homeoffice möchte kaum jemand komplett auf ein externes Büro verzichten. Was aber ist das für ein mysteriöser Ort, dem wir so viel unserer Lebenszeit schenken? Welche Rolle nimmt er in der Literatur ein – als Gegenstand oder Ort der Produktion? Und leben wir mehr denn je im Zeitalter des Büros, jetzt, wo die Büroräume sich nicht nur als unentbehrlich erwiesen haben, sondern sich auch noch unserer Zuhause bemächtigt haben, ja vielleicht sogar uns selbst, die wir uns als Orte der ständigen Produktivität und Administration verhalten? Ja, ist die Internalisierung der Bürodisziplin vielleicht das Kennzeichen unserer Gegenwart – ganz ähnlich, wie Michel Foucault es für die Disziplinierung der Sexualität beschreibt? Und was bedeutet das für die Literatur?

Über diese Fragen denken wir dieses Frühjahr in der dreiteiligen Reihe „Bürozän – Leben und Schreiben im Zeitalter des Büros“ nach. Über das Büro in Geschichte und Gegenwart sowie dessen sich wandelnde literarische Repräsenationen sprechen wir mit Sheila Liming, Literaturwissenschaftlerin und Autorin von „office“, einer wunderbaren, kleinen Anthologie des Büros. Gemeinsam mit Dorothee Elmiger und Juan S. Guse werfen wir dann einen Blick auf die Schreibtische und fragen, welche Rolle das Büro als Oberfläche und Kultur im zeitgenössischen Leben und Schreiben einnimmt. Schliesslich begeben wir uns mit Andreas Kilcher, Professor für Literaturwissenschaft an der ETH Zürich, auf eine Reise zu Kafkas Schreibtisch und dessen Auseinandersetzung mit der ewigen Bürokratie. Alles natürlich nach Feierabend im Literaturhaus Lenzburg.

Übers Wetter reden mit…

“Übers Wetter reden mit…” ist eine Reihe darüber, wie das unschuldigste Gesprächsthema der Welt plötzlich zum philosophischen Problem werden konnte. Das Wetter in der Literatur ist mehr als bloss Stimmungsmache oder symbolischer Ausdruck, sondern ein äusseres Phänomen, das auf das Erzählen einwirkt - deshalb betrachten wir das Wetter insbesondere auch in Fantasy und Science Fiction.

Pornografie und Literatur

Kuratiert von Shantala Hummler

Pornografie ist nicht nur eine feste kontroverse Grösse im medialen und gesellschaftlichen Diskurs, sondern ist im 21. Jahrhundert immer stärker vom subkulturellen Rand und ihrem Stigma der Anrüchigkeit in die Mitte des kulturellen Umschlagplatzes gerückt.

Besonders auffallend am wachsenden Interesse ist allerdings, dass der Brennpunkt sich fast ausschliesslich auf ihre visuellen Erscheinungsformen konzentriert, während Kunstformen wie die Literatur derart ausgeblendet werden, dass man vermuten könnte, es gäbe das Pornografische in der Literatur gar nicht (mehr).

Das ist jedoch keineswegs der Fall, wie ein Blick in die Gegenwartsliteratur zeigt: Deutschsprachige Autor*innen wie Corinna T. Sievers, Elfriede Jelinek oder Jessica Jurassica etwa schreiben sich massgeblich in das pornografische Genre ein und Frankreich kann mit Virginie Despentes oder Michel Houellebecq namhafte Vertreter*innen der pornografischen Literatur vorweisen. Ausserdem zeigen Zeitschriften wie das Berliner «Hot Topic» oder das deutsche Jahrbuch «Mein heimliches Auge», dass es nicht nur ein anhaltendes, sondern auch neues Interesse am Pornografischen in der Literatur gibt.

Insofern das Pornografische strategisch den Tabubruch zum Programm erhebt, kommt ihm eine fundamentale gesellschafts- und kulturkritische Dimension zu, ohne dabei in der Pose der Provokation aufzugehen. Gerade die Explizitheit, die die Ästhetik des Pornografischen ganz wesentlich bestimmt, testet konsequent die Grenzen des Zumutbaren und führt zu dessen hoher Anschlussfähigkeit für aktuelle Diskurse. So haben mit der zunehmenden Virulenz identitätspolitischer Diskurse insbesondere feministische und queere Topoi Eingang in pornografische Texte gefunden, wodurch erneut eminente moralische Fragen und Kritik an das Pornografische herangetragen wurden. Die Frage, «Was darf Literatur?», wird uns also unvermeidlich zu einer ganz grundsätzlichen Diskussion darüber führen, was Literatur eigentlich leisten soll – und kann.

Vergangene Veranstaltungen

Nachhören im Memberbereich

Digitales Tropenhaus

Das Digitale Tropenhaus ist eine Kooperation des Zentrums für literarische Gegenwart und des Aargauer Literaturhauses Lenzburg. Als gänzlich virtueller Veranstaltungsort dient es dazu, das Dickicht der Tropes - der Motive, Klischees und Stilelemente - zu erkunden, wie es zwischen den alten und neuen Medien wuchert. Wir laden Autor*innen, bildende Künstler*innen, Musiker*innen, Kurator*innen, Blogger*innen und andere ein, unser digitales Gewächshaus mit Ausstellungen und Podiumsdiskussionen, Lesungen und Konzerten zu füllen.

Mit seinen prachtvollen Herbarien und den langen Bücherwänden erhebt sich das Digitale Tropenhaus mitten in Gathertown, einem relativ jungen Onlinemedium, das Sie einfach und komfortabel über einen Link erreichen (den Sie nach der Anmeldung zum Event erhalten). Gathertown betreten Sie, anders als Zoom oder Teams, mit einer Spielfigur. Name und Aussehen Ihres Alter Egos bestimmen Sie zu Anfang selber.